Treffen in Mannheim und Neckargemünd – Vortrag von Prof. Dr. Jan Nicolay und Diskussion
Um die Diagnose und Behandlung der verschiedenen Formen und Stadien des Kutanen T-Zell-Lymphoms ging es beim Patientenvortrag, den wir mit Prof. Jan Nicolay am Hauttumorzentrum in Mannheim organisiert hatten. Anschließend konnte sich unsere deutschlandweite Selbsthilfegruppe beim dritten Präsenztreffen intensiv mit den drängendsten Themen beschäftigen und endlich einmal analog bei einem Kaffee zusammenkommen.
Reges Interesse für eine seltene Krebserkrankung
Es war eigentlich weniger ein klassischer Vortrag als ein Dialog, der am 9.11.2024 mit Prof. Dr. Jan Nicolay stattfand. Mit einem der führenden CTCL-Experten und Leitendem Oberarzt und Leiter der Lymphom-Sprechstunde des Hauttumorzentrums Mannheim gab es dabei einen regen Austausch.
Die über dreißig Zuhörenden aus Deutschland und zum Teil auch aus Österreich stellten auch immer wieder mitten im Vortrag viele wichtige Fragen, die Prof. Nicolay die Möglichkeit gaben, detailliert auf einige wichtige Punkte einzugehen. Er wiederum konnte sich selbst ein Bild machen von der unterschiedlichen Versorgungssituation der CTCL-Betroffenen von Hamburg bis zum Bodensee.
Was könnten Auslöser für Mycosis Fungoides sein?
Wir haben bisher immer gehört, dass CTCL nicht auf bestimmte Auslöser zurückzuführen sei, wie etwa der Lungenkrebs auf das Rauchen. Doch mittlerweile gibt es Gründe zur Annahme, dass verschiedene Faktoren das Risiko für CTCL erhöhen. So könnte eine genetische Veranlagung zugrunde liegen. Z.B. wurde von eineiigen Zwillingen berichtet, die beide an MF erkrankten. Auch gibt es Hinweise, dass die UV-Strahlung über den Einfluss auf die Haut und die dortigen T-Zellen einen Ausbruch begünstigen kann.
In den USA zeigten Untersuchungen, dass Bewohner in durch Chemieunfällen, z.B. durch aromatische Kohlenwasserstoffe verseuchten Gebieten überdurchschnittlich häufig an CTCL erkranken. Auch Menschen, deren Immunsystem durch bestimmte Infektionen oder Allergien beeinträchtigt ist, haben ein erhöhtes Risiko. Der Nachweis von Virus-DNA-Partikeln in den T-Zellen von CTCL-Patienten deutet auf einen möglichen Zusammenhang.
Und auch das Hautmikrobiom kann eine Rolle spielen, z.B. der vorherige Kontakt mit dem Keim Staphylokokkus Aureus. Letztendlich könnte die Summe der möglichen Entstehungsfaktoren das Risiko für eine CTCL-Erkrankung erhöhen, so Prof. Nicolays Vermutung.
Zum Umgang mit natürlicher und künstlicher UV-Strahlung
Manche Patienten erfahren eine Verschlimmerung, wenn sie in die Sonne gehen. Andere beschreiben den lindernden Effekt von Sonnenbädern. Prof. Nicolay hat dazu eine klare Haltung. Er hält die Eigentherapie mit natürlichem Sonnenlicht für problematisch, weil darin alle Wellenlängen vorkommen, die in ihrer Gesamtheit in der Haut Mutationen und damit Hautkrebs hervorrufen können.
Deshalb sein flammender Appell: „UV-Therapie nur mit Schutz. Gerade ältere Menschen haben schon eine hohe Lebensdosis an UV-Strahlen – man spricht auch vom UV-Konto der Haut – erreicht, andere Hautkrebsarten können die Folge sein. Wichtig – speziell auch nach der PUVA-Therapie –ist auch der Augenschutz durch geeignete Sonnenbrillen.
Prinzipiell wirkt UV-Licht:
- immunsuppressiv
- Apoptose (Zelltod) auslösend
- und immunregulierend
Der Unterschied von natürlichem UV-Licht zu dem therapeutisch genutzten UV-Licht bestehe darin, dass bei letzterem nur eine Wellenlänge eingesetzt werde, wovon sich gesunde Zellen eher erholen könnten.
Diagnose: Je früher, desto besser
Kutane Lymphome sind dadurch definiert, dass sie bei der Diagnosestellung auf die Haut begrenzt sind. Eine Ausnahme ist das Sézary-Syndrom, das auch eine systemische Beteiligung¹) zeigt. Ein spezielle Form des kutanen Lymphoms ist die lymphomatoide Papulose, die durch CD30-positive Zellen gekennzeichnet ist. Die Tumorklassifikation, also die Einteilung in ein bestimmtes Stadium richtet sich nach dem Hautbild, der Lymphknotenbeteiligung, der Organ- und Blutbeteiligung. Letztere deutet nicht immer auf ein Sézary-Syndrom hin. (Artikel von Dr. Melcher u.a. zur Klassifikation: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15361_g).
Auch bei Remissionen bleibt man im eingangs diagnostizierten Stadium und es gibt kein Downstaging, da die Krankheit bestehen bleibt und immer wieder ausbrechen kann.
Die Klassifikation der Kutanen T-Zell-Lymphome der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von über 20 verschiedenen kutanen Lymphomen mit weiteren Subtypen aus. Diese unterscheiden sich der Prognose des Überlebens und auch der Therapie, was auch die Erfahrung in unserer Gruppe widerspiegelt. Doch wie sich im Laufe des sehr spannenden Vortrags herausstellte, scheinen sich manche Behandler in ihrer Wahl des individuellen Therapiekonzeptes nicht immer an den aktuellen Behandlungs-Leitlinien zu orientieren, an denen auch Prof. Nicolay mitwirkte.
Ist Parapsoriasis ein Scheinbegriff?
Früher hörten Patienten auf der Suche nach einer Diagnose ihrer unklaren Hautbeschwerden oft den Begriff „Parapsoriasis en plaque“. Damit bezeichnet man schuppende, rot-braune Flecken auf der Haut, die oft über lange Zeiträume bestehen bleiben.
Prof. Nicolay dazu: „Das ist eigentlich ein Scheinbegriff, denn daraus entsteht immer eine Mycosis fungoides.“ Es sei zwar verständlich, wenn man nicht gleich mit dem Begriff „Krebs“ hantieren wolle, bei einer Krankheit, die chronisch und gut therapierbar ist. Stattdessen sollten die Ärzte mit den Patienten Klartext reden und früh mit lokalen Therapien beginnen.
Bei der Mycosis fungoides wird z.T. noch immer mit sehr hoher Strahlendosis therapiert, obwohl sich die Niedrigdosistherapie nachweislich bewährt hat. Auch werden PET-CTs angeordnet, wo es ein strahlenärmeres CT auch tun würde.
Der „afrikanische Diktator“: Was gibt es Neues zu Mogamulizumab?
Den Namen der Substanz auszusprechen ist eine Herausforderung. Betroffene aus unserer Gruppe kamen deshalb auf die Umschreibung „afrikanischer Diktator“. Auch hier entspann sich eine lebhafte Diskussion, bei der uns Prof. Nicolay viele Fragen beantwortete.
Bei der Behandlung mit Mogamulizumab kann ein ausgeprägter Hautausschlag (Rash) als unangenehme Nebenwirkung häufig ein Hinweis auf ein besseres Ansprechen der Patienten sein. Dieser Hautausschlag wird als immunologische Überreaktion gedeutet. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, histologisch abzuklären, ob es sich um einen Rash oder einen Krankheitsprogress handelt – ein Rash ist typischerweise durch CD8-positive Zellen gekennzeichnet, während bei einem Progress eher CD4-positive Zellen dominieren. Bei einem starken Hautausschlag wird empfohlen, die Therapie vorübergehend zu unterbrechen, bis sich der Zustand bessert. Da Therapien bei kutanem T-Zell-Lymphom (CTCL) in der Regel mehrfach eingesetzt werden können, ist es in solchen Fällen auch unproblematisch, die Behandlung kurzfristig auszusetzen.
Wenn Medikamente fehlen oder nur für andere Indikationen zugelassen sind
Diskutiert wurden auch Probleme der fehlenden Zulassung von Medikamenten, die sich bei CTCL als wirksam erweisen. (Z.B. Dimethylfumarat, Interferon). Dimethylfumarat ist bei Psoriasis zugelassen, kostengünstig und hat sich auch bei sehr starker Blutbeteiligung als gute Option gezeigt. (Siehe dazu Prof. Nicolays Phase 2 Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s15012-024-8370-3). Nun wäre eine Phase-III-Studie nötig (die aber niemand finanziert), damit die Substanz regelmäßig verordnet werden könnte.
Interferon gibt es in der ursprünglich zugelassenen Darreichungsform nicht mehr, ein entsprechendes Präparat wurde vom Markt genommen. Das einzige jetzt noch im Handel befindliche Pegylierte Interferon (Pegasys) wird nur als Off-Label²)-Medikament eingesetzt, es kann also zu Konflikten mit der Krankenkasse kommen.
Ein weiteres Problem: Interferon gehört derzeit zu den Medikamenten, bei denen es Lieferengpässe gibt, weshalb geraten wird, es vorerst nicht neu zu verordnen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) führt hierzu Übersichten.
Warum Kombinationstherapien helfen können
Kombitherapien haben den Vorteil, dass man z.B. ein Verfahren mit geringen Nebenwirkungen mit etwas anderem kombiniert und mehrere Signalwege treffen und damit die Krebszellen bekämpfen kann.
Auf die Möglichkeit der Stammzelltransplantation ging Prof. Nicolay nur kurz ein, denn er erklärte, dass diese Therapieform nur für Patienten mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand geeignet und mit Risiken verbunden ist.
Anschließendes Gruppentreffen in Neckargemünd
Nach dem ausführlichen Vortrag und einer anschließenden Erfrischung fuhren die meisten Teilnehmer nach Neckargemünd. Im dortigen Gemeindezentrum „Arche“ tauschte sich die Gruppe der angereisten Betroffenen und Angehörigen intensiv über die neuen Erkenntnisse aus dem Vortrag aus. Dann, gestärkt durch Kaffee und Kuchen, wurden in Kleingruppen folgende Themen intensiver besprochen:
- Die seelische Belastung durch die Erkrankung und Erfahrung mit psychotherapeutischer Unterstützung und anderen Hilfen / Kraftquellen
- Hautcremes, Cortison- wann, wie – welche Erfahrungen damit
- Erfahrungen mit Wirkungen und Nebenwirkungen verschiedener Medikamente
- Erfahrungen, Nutzen und Risiken von und mit komplementären Therapien, bzw. die Frage: Was kann ich zur Unterstützung meiner Erkrankung selber beitragen?
Wie auch schon bei den vorhergehenden Treffen fand sich eine größere Untergruppe für die Angehörigen, die sich zu ihren Fragen, Belastungen und notwendigen Hilfen austauschen konnten.
Nachdem alle Ergebnisse in der gesamten Gruppe zusammengetragen waren, gab es ein leckeres Büffet. Insgesamt bestand große Einigkeit darüber, dass dieses persönliche Treffen wieder sehr wertvoll war und wir uns im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder in einem solchen Rahmen begegnen wollen.
Wir danken Herrn Prof. Nicolay und seinem Team, dass wir so viele wichtige Informationen und Zeit zum Diskutieren bekamen. Dem Team von der Uni Mannheim danken wir für die Unterstützung, dem Hautkrebs-Netzwerk für einen Zuschuss für das leibliche Wohl. Danke auch an alle, die spontan mit angepackt und mit ihren Beiträgen dieses Treffen sehr bereichert haben.
Fußnoten:
1) Der Off-Label-Use von Interferon bei kutanen T-Zell-Lymphomen (CTCL) bedeutet, dass das Medikament in einer Weise oder für eine Indikation angewendet wird, die nicht explizit von den Zulassungsbehörden (wie der EMA oder dem BfArM) genehmigt wurde. Dies ist bei CTCL in vielen Ländern, einschließlich Deutschland, der Fall, da Interferon-alpha für diese Erkrankung häufig verwendet wird, jedoch keine spezifische Zulassung für CTCL besitzt.
2) „Systemische Beteiligung“ bedeutet, dass eine Erkrankung nicht nur auf ein bestimmtes Organ oder einen Bereich (z. B. die Haut) beschränkt ist, sondern auch andere Teile des Körpers betrifft. Bei Lymphomen kann das z. B. bedeuten, dass Lymphknoten, Blut oder innere Organe wie die Leber, Milz oder Knochenmark in den Krankheitsprozess einbezogen sind. Dies deutet oft auf eine fortgeschrittenere Erkrankung hin.
awi, bcal